Meine erste Teilnahme an der Tremonia Fechtschule stand bevor und ich kam zu spät; zumindest dachte ich das. Nachdem mich der Dortmunder Feierabend einige Nerven kostete, erreichte ich die Burg Husen – die zwar „nur“ ein Wohnturm, aber dennoch sehr idyllisch ist – und stellte fest, dass der Aufbau zum Glück noch in vollem Gange war. Da ich mich etwas spät angemeldet hatte, waren alle Plätze im Turm bereits belegt und mir blieb nur noch das Campieren im eigenen Zelt übrig. Das war bei den gemeldeten spätsommerlichen Temperaturen nun wirklich kein Problem und bot zudem die Gelegenheit, sich gegenseitig beim Aufbau zu helfen, sowie mit alten und neuen Gesichtern den ein oder anderen Plausch zu halten. Wer Zeit und Kraft erübrigen konnte, half außerdem dabei, die Küche und die Feuerstelle vorzubereiten.
So trudelten also allmählich alle ein und nach einem deftigen Eintopf ging es dann auch mit dem ersten offiziellen Programmpunkt los: Nikolas Lloyd – den meisten bekannt unter seinem YouTube-Alias Lindybeige – brachte uns den für HEMA eher untypischen Umgang mit Speer und Schild näher, wozu natürlich auch das Ausprobieren eben jener Kombination gehörte. Zunächst schien es so, als ob der restliche Abend am großen Lagerfeuer gesellig ausklänge. Wer wie ich Neuling war, wurde dann doch etwas überrascht, als zum „wrestling in the pit“ gerufen wurde: eine äußert lustige Form des Ringens, die für Teilnehmer wie Zuschauer ein großes Vergnügen war.
Am nächsten Tag stand man nach einem ausgiebigen Frühstück vor der Qual der Wahl, zu welchem Workshop man sich anmeldet: Neben Rapier und Dolch von Francesca Terminiello (The School of the Sword) und Problemlösungsmethodik mit dem Langschwert von Izabele Saorin und Michel Rensen (Zwaard & Steen) entschied ich mich für das Ringen nach Auerswald von Peter Smallridge. Obwohl uns Peter, der Trainer bei KDF Tonbridge ist, etwas zum Aufwärmen scheuchen musste, waren wir am Ende froh, dass wir uns vernünftig vorbereitet hatten, da Ringen doch sehr viel Körperbeherrschung abverlangt. Mit einigen Schweißtropfen auf der Stirn fanden wir uns schließlich alle zusammen, um zu rekapitulieren, was wir aus dieser Erfahrung mitgenommen haben.
Nach einem stärkenden Mittagessen ging es in die zweite Runde der Workshops. Auch hier entschied ich mich dazu, den Schwertern zu entsagen, und etwas für mich eher Unbekanntes zu wählen; schließlich ist das einer der Vorteile der Fechtschule: Man kann mit anderen, die auf einem ähnlichen Level sind, neue Techniken und Formen in HEMA ausprobieren. Dennoch: Hätte ich mich entscheiden müssen, wäre ich auch sehr gerne zu dem Workshop über das Doppelschwert von Jan Gosewinkel (Bonner Schule) oder dem über das Nachreisen von Matthew Malcolm (Medieval Combat Group) gegangen. Mishaël Lopes Cardozo (AMEK), der ganze sieben Schulen in den Niederlanden leitet, zeigte uns anhand bislang eher unbekannter Fragmente einer Handschrift über den Dolchkampf, wie man die teils komplizierten Abbildungen versucht umzusetzen. Ähnlich wie beim Ringen kam es in der praktischen Anwendung dann aber doch vor, dass man recht schnell mit dem Rücken im Gras lag.
Bevor es darauf mit dem ersten Turnier losging, blieb noch etwas Zeit für den ein oder anderen Plausch, schließlich sind wir eine sehr mitteilungs- und diskutierfreudige Community. Sowieso hatten alle Trainer immer ein offenes Ohr für Fragen oder waren offen für ein nettes Gespräch. Es bot sich außerdem die Gelegenheit an, Schnitttests, Messer- und Axtwerfen oder Bogenschießen auszuprobieren, wobei besonders der Kunststoffbogen mit seiner Treffergenauigkeit für sehr viel Erheiterung sorgte.
Schließlich kam dann der große Moment: mein erstes Turnier. Zwar „nur“ mit Kunststoffwastern, aber die Nervosität blieb. Da jeder gegen jeden antreten musste und eine Auswahl verschiedener Waster bereitlag, war es wohl für jeden immer wieder eine neue Herausforderung. Es herrschte eh eine sehr lockere Stimmung und gerade für den Anfang fühlt man sich dort für die ersten Turniererfahrungen super aufgehoben. Dennoch haben sich dann Jan Gosewinkel, Peter Smallridge und Daniel Ciupka zu Recht aufgrund ihrer Leistung die Plätze auf dem Siegertreppchen erkämpft.
Auch hier blieb wieder etwas Zeit zum nächsten Programmpunkt, sodass man sich gut erholen oder die einen oder anderen Ideen, Techniken und sonstigen Gedanken austauschen konnte. Wer noch Lust und Laune hatte, konnte auch Lloyd bei seinem Video über sein Vortragsthema helfen. Der Vortrag an diesem Abend hat wohl jeden beeindruckt: Lopes erklärte uns nämlich sehr überzeugend, wie wichtig es ist, sich geistig auf einen Wettkampf vorzubereiten und wie gravierend es sein kann, wenn dies nicht geschieht. Es mag recht theoretisch gewirkt haben, ja, aber es war auf gar keinen Fall unwichtig. Bei Bratwurst und Bier am Lagerfeuer ließen wir schließlich den Tag gesellig zu Ende gehen.
Manch einer blieb zwar etwas länger wach – meine Wenigkeit womöglich eingeschlossen – musste dann aber trotzdem am nächsten Tag wieder fit sein, da es pünktlich mit der Fortführung der Vormittagskurse vom Samstag weiterging. Wer nun neu hinzukam, konnte aber dennoch gut einen Einstieg finden, sodass sich nach kurzer Zeit wieder alle verausgaben konnten.
Nach dem Mittagessen ging es dann zum Opus Magnum des Wochenendes über: dem Turnier mit dem langen Schwert aus Stahl. Da mir ob meiner nicht ausreichenden Ausrüstung die Teilnahme zurecht verwehrt blieb, hatte ich umso mehr Gelegenheit zu Beobachten. Sekundenbruchteile, die über Sieg und Niederlage entschieden, neben geduldigem Auflauern und Taktieren. Umso schwieriger war die Entscheidung, welchem Match man seine Aufmerksamkeit schenken sollte. Vor Simon Engel und Matt Malcolm konnte Daniel Ciupka auch dieses Turnier für sich entscheiden und bekam als Lohn für diese stolze Leistung zwei neuartige Black-Fencer-Waster, die das Bindungsverhalten scharfer Waffen simulieren sollen.
Nach und nach machte sich schließlich die Aufbruchsstimmung breit und man begann allmählich mit dem Abbau. Auch hier galt wieder: viele Hände, schnelles Ende. Umso erschöpfter, aber auch zufriedener, machte man sich dann auf den kürzeren oder längeren Heimweg.
Würde man ein kurzes Resümee ziehen, dann käme man sehr schnell dazu, sich das Wochenende für das nächste Jahr so schnell wie möglich freizuhalten. Ein solch internationaler wie regionaler Austausch in einem entspannten Umfang bietet nicht nur Gelegenheit neue Leute kennenzulernen und alte Kontakte zu pflegen, sondern auch seinen sportlichen Horizont durch neue Techniken, Ansätze und Erfahrungen zu erweitern.
Autor: Marian Bornemann