Schwertkampf in der Pfalz

Schwertlöwen – Eine Origin Story

Historisches Fechten ist für mich Leidenschaft mit Hang zur Obsession. Ich mag nicht behaupten, dass es aus Anderen bessere Menschen machen wird, aber ich bin davon überzeugt, dass es mir persönlich hilft. Wenn ich nun zurückblicke, war die Gründung einer eigenen Gruppe für historische Kampfkünste schon lange absehbar. Dass diese hier in der Pfalz so gut angenommen werden würde hätte ich aber nicht geglaubt und ich bin immer wieder baff, wie viele unterschiedliche Menschen mittlerweile ihre Zeit und Kraft ins Training aber vor allem auch in den Verein stecken.

Sport, Lernen, Miteinander, Kunst, Forschung, Lebensart, Geschichte, Achtsamkeit, Fitness, Spaß, Wettkampf, Wachstum, Studium, Raufen – seit mir Falko Ende 2013 bei Hammaborg das erste Mal ein Schwert in die Hand gedrückt hat, wandelte sich meine Motivation und Faszination im Kontext dieser Materie beständig.

Am Anfang war es für mich vor allem verdammt cool einfach das Schwert zu schwingen und die verschiedenen Techniken zu lernen. Später, 2016, in meinem Jahr in Münster bei der Fechtergilde TG Münster habe ich Alex Training Drills und seinen sehr dynamischen und sportlichen Ansatz zu schätzen gelernt. Viele Nachmittage habe ich – mit dem auf amerikanischen Turnieren erfahrenen – Martin mit aufgerödelter Schutzausrüstung in seinem Garten verbracht und mich “verdreschen” lassen. Im selben Jahr habe ich regelmäßig mit Malte, im starken Kontrast dazu, ohne Schutzausrüstung am Aasee frei gefochten.
2017 ging es dann beruflich zurück in meine pfälzische Heimat. Bei Eike, Dirk, Roland und Micha vom PSV Karlsruhe habe ich wiederum neue Zugänge zur Kampfkunst gefunden.

Jeder Vereinswechsel war letztlich auch eine Umstellung. “Annerschdwu is annerschd” – und so war es kein Wunder, dass es immer wieder galt, neue Praktiken, Rituale und Interpretationen kennenzulernen und vor allem sich auf diese einzulassen. Gleichzeitig habe ich aber jedes Mal etwas vermisst, was ich zuvor zu schätzen gelernt hatte.

Meine reifenden Vorstellungen und eigene Interpretationen waren so, neben der Entfernung, wohl die größere Motivation parallel zum Training in Karlsruhe eine eigene Trainingsgruppe in Neustadt anzubieten. Heute ist niemand aus dem ersten halben Jahr mehr dabei. Die Beteiligung war zunächst eher sporadisch. Wir haben hier zwar rund 70 000 Einwohner und potentiell vom Schwert Begeisterte, aber es sollte einige Zeit dauern bis die ersten sich mit der Materie “infizierten”. Besuche von Freunden aus Münster und Karlsruhe gaben mir Hoffnung und neue Motivation. In dieser Zeit begann ich  mich tiefer in den Cod.44.A.8 einzulesen und erste Exceltabellen mit Übersichten und Trainingsplänen zusammenzustellen.

Meine erste Teilnahme an einem Turnier im Rahmen der CombatCon in Las Vegas im August 2017  markierte dann den zeitlichen Wendepunkt. Zu der Zeit formierte sich innerhalb weniger Wochen ein harter Kern aus vier Leuten, die fortan auch bei Minusgraden zweimal die Woche an meinen Bauwagen klopften und voller Eifer trainieren wollten. Felix, Max, Christian I und Christian II bilden heute als erfahrenste Fechter das Rückgrat des Vereins. Eine sehr intensive Zeit begann damals. Hier waren vor allem Christian II. Erfahrungen bei Gladiatores und Rolands (PSV Karlsruhe) regelmäßige Teilnahme am Training Brandbeschleuniger für die Leidenschaft und die schnellen Lernerfolge. Als weitere Katalysatoren für die fechterische Entwicklung wirkte die fremde DNA, welche Malte und Nicolai (FG TG Münster) bei ihren Workshops und regelmäßigen Besuchen einbrachten. Darüber hinaus war unsere Gruppe zwischenmenschlich so zusammengesetzt, dass sich eine teilweise beängstigende Eigendynamik entwickelte, welche bis heute anhält. Um an dieser Stelle Guy Windsor zu zitieren: “You want to start a HMA club: what’s the first step? 1) Find a friend who’ll have a go at swords. One friend is good; two is better. What, you’ve got three interested friends? Then this will be easy…” (Guy Windsor, The Theory and Practice of Historical Martial Arts – Seite 191). Wir wissen dies zu schätzen und sehen dies nicht als selbstverständlich an.

Veranstaltungen sind gute Deadlines oder Marker. Zum “Exportschlager” aus den USA haben sich unsere regelmäßigen Schnitttests entwickelt. Kurz nach dem ersten Schnitttest fand unsere legendäre Weihnachtsfeier statt, auf welcher wir uns “Pfälzer Schwertlöwen – Historische Kampfkünste” getauft haben und die Vereinsgründung für 2018 beschlossen. Ideen für Name und Logo kamen aus der Gruppe. Zeitgleich reifte auch unserer Wahlspruch “Schwerdd unn Palz, dunnrich knallts!” in Anlehnung vergangener Zeiten (“Bayern und Pfalz, Gott erhalts!”).

Einen weiteren Meilenstein und die damit einhergehende explosionsartige Vergrößerung unseres Gruppe markierte der Anfänger-Workshop und die zeitgleiche Vereinsgründung im Mai 2018. Wir hatten den Workshop auf Facebook und mit Plakaten beworben. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war auch, dass wir einige Wochen zuvor eine neue Trainingsstätte in Beschlag nehmen konnten, die wir fortan immer wieder nach unseren Bedürfnissen baulich verändern. Dabei handelt es sich um eine ehemalige Lagerhalle der französischen Streitkräfte. So war der Verlauf des weiteren Jahres  ein wilder Mix aus eigenen Veranstaltungen, Bautagen an und in der Halle, Besuche anderer Vereine bzw. Gruppen und Events, Vorstandsarbeit und Weiterentwicklung des Trainingskonzepts. 2018 gipfelte schließlich in unserem bisher größtem Event, der Pfälzer Fehde.

Die Fehde sollte vor allem unseren jungen Löwinnen und Löwen sowie den umliegenden Vereinen eine niedrige Schwelle zum Austausch bieten. Offene Halle, Workshops, und ein kleines Turnier waren  für ein erstes offenes Event rückblickend zwar viel auf mal, aber dennoch ein Riesenspaß für alle Beteiligten. Beschlossen haben wir das Jahr 2018, wie auch das Jahr zuvor, mit einer Weihnachtsfeier und ambitionierten Plänen für 2019.

Von den nun mehr knapp über 30 Löwinnen und Löwen nimmt gut die Hälfte regelmäßig am Training teil*. Zu Sonderveranstaltungen wie Training auf Burg und Markt, Schnitttests oder ähnlichem schließen sich dann auch gerne unsere Fördermitglieder sowie Freunde und Familie an.

Aktuell bieten wir zwei wöchentliche Trainingseinheiten, sowie seit Anfang diesen Jahres ein alle 2-4 Wochen stattfindendes Freikampf-Training für Fortgeschrittene an. Neben Exkursen in andere Kontexte und Waffen beschäftigen wir uns hauptsächlich mit dem Langen Schwert in der Tradition Liechtenauers. Moderne Quellen und Trainingskonzepte ergänzen dabei unsere historischen Primärquellen, namentlich Cod.44.A.8 (“Danzig”), Cod.I.6.4º.3 (“Lew”) und MS 3227a (“Nürnberger Hausbuch”). Die Auseinandersetzung mit dem MS E.1939.65.341 (“Ringeck”) steht als nächstes an.

Eine ebenfalls 2-4 wöchige Studiengruppe zum Rapier ist in Planung und wird in Kürze starten. Zudem wird Christian I** im Laufe des Jahres eine Studiengruppe zum iberischen Montante ins Leben rufen.

An regulären Terminen bieten zwei Stunden Training plus eine Stunde offene Halle zur freien Gestaltung Zeit, um sich zu verausgaben, miteinander zu messen, zu lernen, zu forschen, zu spielen, zu toben, zu diskutieren, Quatsch zu machen, sich kennen zu lernen, zu trainieren, zu lachen und zu kämpfen.
Geprägt ist unser Trainingsalltag von den verschiedenen alten und frischen Einflüssen aus der Szene***, aber auch von dem was unsere Löwinnen und Löwen selbst einbringen.
Erhalten hat sich bis heute das quellennahe Arbeiten aus meiner Zeit bei Hammaborg. Die Abgrenzung zu LARP, Selbstverteidigung, MMA, Schaukampf oder ähnlichem ist uns wichtig, darf aber, wenn in den richtigen Kontext gesetzt, gelegentlich aufweichen.

Bei uns willkommen sind erst einmal alle, ganz gleich mit welchem Anspruch, Fitnesslevel oder Vorerfahrungen jemand in unsere Halle schnuppert. Wer mit uns trainiert hat weiß, dass wir Sport machen und uns Respekt, Vorsicht und Grenzen wichtig sind. Wer sich “infiziert” und uns länger erhalten bleibt darf erfahren, dass das Studium der Kunst sowie der Austausch untereinander und mit der Szene uns zu dem machen, was wir sind – Schwertlöwen.

Neustadt an der Weinstraße,  14.2.2019
Till

Till Schultz, 1. Vorsitzender der Pfälzer Schwertlöwen – Historische Kampfkünste e.V.
Bildrechte & Kontakt: info@pfaelzer-schwertloewen.de   Follow us on facebook!

*Weitere Zahlen zur Trainingsbeteiligung und deren Auswertung sind hier zu finden.
**Christian Lee-Becker, 2. Vorsitzender und der Mann ohne den ich letztes Jahr mindestens zweimal verhungert und unzählige Male verzweifelt wäre. Christian, ohne Dich wäre dieser Artikel sicherlich weder besonders leserlich, noch jemals fertig geworden. Verdammt, ich hätte wahrscheinlich nicht einmal damit angefangen! Ich danke Dir, mein Freund!
***Es gibt so viele weitere wichtige Momente und Menschen da draußen, welche weder in Wort noch Bild erwähnt wurden. An Euch, die Ihr Euch hier nicht finden könnt, fühlt Euch umarmt und wisst, ich freue mich auf unsere nächste Begegnung – vielleicht ja auf der Fehde 2019 😉