Rezension zum Ausstellungs-Begleitband »Mit Schwert und Degen. Zweikampf in historischen Fechtbüchern«
Es ist ein Jammer, dass die Ausstellung »Mit Schwert und Degen«, die im Herbst 2020 in der Forschungsbibliothek Gotha hätte stattfinden sollen, aus den allgegenwärtigen Pandemiegründen abgesagt werden musste.
Es ist ein jedoch Segen, dass immerhin der Begleitband dennoch erscheinen konnte – bevor noch die Ausstellung in ihrer digitalen Form im Internet verfügbar sein wird.
Der Band »Mit Schwert und Degen. Zweikampf in historischen Fechtbüchern« von Daniel Gehrt ist ein mustergültiger Text- und Bildband, der kaum Wünsche offenlässt.
Den Kern des Bandes bilden die fünf bedeutenden Fechthandschriften, die bis zum Ende des zweiten Weltkriegs zum Bestand der Forschungsbibliothek Gotha gehörten, und von denen sich heute lediglich noch zwei dort befinden. Bei diesen fünf Handschriften handelt es sich um einige der berühmtesten und wichtigsten Fechtbücher überhaupt:
- I.33 (jetzt Royal Armouries, Leeds): Das erste erhaltene Fechtbuch weltweit zum Thema Schwert-und-Buckler-Kampf.
- Talhoffer 1443/48: Das erste Hans Talhoffer zugeschriebene Manuskript. Es enthält neben zahlreichen Abbildungen zum (gerichtlichen) Zweikampf eine Version der Liechtenauerschen Verse sowie die erste bekannte Fassung der Ringtechniken Meister Otts.
- Talhoffer 1467 (jetzt Bayerische Staatsbibliothek, München): Das wahrscheinlich meistpublizierte Fechtbuch der Welt; eine Bilderhandschrift, die ein breites Spektrum an Kampfdisziplinen abdeckt, u.a. das Bloßfechten im langen Schwert.
- Paulus Kal: Eine interessante Version der Kalschen Handschriften, die, anders als die Schwesterhandschriften in Bologna, München und Wien, ohne Text erscheint.
- Gladiatoria (jetzt Yale Center for British Art, New Haven, Connecticut): Das lange verloren geglaubte und zu Beginn des Jahrtausends in den USA wieder aufgetauchte vermutlich erste Exemplar der Gladiatoria-Handschriften, die den Kampf im Harnisch zum Thema haben.
In dreizehn kurzen aber dabei ungemein informativen Kapiteln werden zahlreiche relevante Gesichtspunkte rund um das Thema Fechtbuch in der Gesamtschau betrachtet, immer aber unter Bezugnahme auf die ehemals fünf Gothaer Exemplare. Im Detail geht es um die Provenienz der Handschriften im Einzelnen; der Zweikampf wird in verschiedenen Facetten beleuchtet, sei es im gerichtlichen Umfeld – auch zwischen Mann und Frau –, oder aber im sportlichen Wettkampf, dem Turnier. Der wissenschaftliche ebenso wie der wissensvermittelnde Aspekt werden berührt; und das Bild wird komplettiert durch eine Betrachtung der Fechtbücher als Kunstobjekte nebst ihrer modernen Rezeption durch die historische Fechterschaft.
Eine Fülle an Bildmaterial – natürlich zum Teil den fünf erwähnten Fechtbüchern entnommen, zum Teil aber auch aus zahlreichen weiteren Quellen – machen diesen Band zu einem wahren Schatzkästchen der Fechtbuchforschung.
Der einzige Schwachpunkt, der aber nur denjenigen auffallen wird, die die Endnoten lesen und die Referenzierungen zum Literaturverzeichnis nachvollziehen, ist, dass in zwei Kapiteln die bibliografischen Angaben unterschlagen wurden. Dennoch ist die Bibliographie auch in ihrem verknappten Zustand eine reichhaltige Fundgrube und nachgerade eine Pflichtleseliste für den Fechtbuch-Aficionado.
Nachdem ich den Band von vorne bis hinten durchgelesen hatte, schlug ich ihn zu, um versonnen umherzuschauen und das Urteil zu sprechen: Was für ein großartiges Buch.
Daniel Gehrt
Mit Schwert und Degen. Zweikampf in historischen Fechtbüchern
Reihe: Veröffentlichungen der Forschungsbibliothek, 2021 (Band 56)
ISBN 978-3-910027-40-4
119 Seiten mit 52 farbigen Illustrationen
28,90 EUR
Autor: Dierk Hagedorn