Historisches Fechten beim PSV in Karlsruhe
Ein Erlebnisbericht eines Neumitglieds in der Gruppe “Historisches Fechten” beim Polizeisportverein Karlsruhe e.V.
Der – noch recht jungen – Gruppe Historisches Fechten beim PSV gehören derzeit rund 30 Personen an, von denen einige schon ca. 10 Jahre Erfahrung im Historischen Fechten aufweisen können. Der Schwerpunkt der Gruppe liegt auf dem Langen Schwert, wobei der Kodex 44A8, genauer gesagt: die darin enthaltenen Kommentare zu Meister Johannes Liechtenauers Merkeversen, die Basis bilden. Auf dieser Basis fusst auch der Grundkurs, der im nachfolgenden Erlebnisbericht beschrieben wird. Andere Waffengattungen, die derzeit aus Quellen rekonstruiert werden, sind: Ringen nach Fiore dei Liberi, Dolchkampf nach Joachim Meyer und kurze Stange nach Paulus Hector Mair.
Beim PSV Karlsruhe kann man zweimal in der Woche Historisches Fechten trainieren: Montags entweder in der Mittelstufe oder bei den Fortgeschrittenen, donnerstags gibt es eine gemischte Gruppe, bei der Einsteiger mit trainieren.
Aller Anfang ist schwer, so heißt es. Man kann sich den Anfang aber auch extra schwer machen, in dem man zum zweiten Mal den ersten Trainingstag verpasst und damit noch einmal den sechs Wochenzyklus abwarten müsste, wäre da nicht die beachtliche Freundlichkeit und Flexibilität der Trainingsleitung. So ergab es sich, dass ich am zweiten Trainingstag einstieg und eben das Trainingspensum der ersten Stunde zusammen mit dem Pensum der zweiten Stunde in der zweiten Stunde abhandeln musste, was sich glücklicherweise weniger kompliziert darstellte, als sich der vorherige Satz liest.
Schritt für Schritt zum Historischen Fechten
Was mir ultimativ zum Vorteil gereichte, war die Tatsache, dass ich des Laufens bereits mächtig bin und es mein ganzes Leben bisher geübt habe, wenn man von den ersten paar Monaten meines Lebens und ein paar Tage meines Universitätsleben absieht. Also, die Schritte, die es gibt, laufen gut, auf zum nächsten: der Deutschstunde. Die lief schon weniger gut, was allerdings weniger mangelndem Einsatz als mehr meinem furchtbar schlechten Gedächtnis für Namen geschuldet ist. Allerdings glaube ich, beinahe jeder fühlt sich etwas überflutet mit Alber, Hut, Ort, Hau, Tag, Lange Schneide, kurze Schneide, Stärke, Schwäche, Ochse, Pflug, Vor, Nach, Langort, Pommel und Gehilz – zusätzlich zu den Namen der Schritte. Aber, alles bis auf den Alber hat es bis zu der nächsten Stunde in meinen Kopf geschafft, den Alber kann ich mir nur über Alberich (den Zwerg aus dem Nibelungenlied) merken. Nächster Punkt: Huten, oder „wie ich mein Schwert halte, bevor ich haue“. Im Französischen „en garde“, was jeder aus jedem zweitklassigen Degenfuchtelfilm kennt oder, wie auch jeder, allerdings aus dem täglichen Leben, kennt, „sei auf der Hut“. Also, wer wie ich glaubte, was kann man beim bloßen Halten eines Schwertes oder, wie in unserem Fall einer Fechtfeder, schon falsch machen, dem sei gesagt: eine Menge. Beginnend bei der Positionierung der Hände am Gehilz, darüber, wie fest man die Fechtfeder mit welcher Hand hält, der Neigung der Feder, der Richtung, in die der Ort (Spitze der Fechtfeder) zeigt (immer Richtung Kopf des Gegners) zur Position der Hände relativ zum eigenen Körper. Und dabei immer den richtigen Stand beachten. Oh, der Stand. So gut die Schritte bei mir liefen, so viel Aufwand musste ich dem richtigen Stand zukommen lassen. Dabei ist es im Prinzip nicht schwer, einfach nur tief in die Knie gehen, im Prinzip je tiefer desto besser. Man sagte uns, es gibt ein ganz einfaches Indiz dafür, wie gut man in die Knie gegangen ist während der Übungen, und das ist, ob die Oberschenkel am nächsten Tag brennen. Und oh Mann, bin ich gut in die Knie gegangen. Aber zu meiner großen Überraschung stellte sich dieser Effekt einmal und dann nie wieder ein.
Erste Partnerübungen
Die logische Konsequenz daraus, die Schritte geübt zu haben und die Huten zu kennen, ist, dies mit einem Partner zu üben. Der eine gibt die Huten und die Schritte vor und der andere spiegelt die Huten und die Schritte. Für sich eine erstaunlich spaßige Übung, die beliebig schnell ausgeführt werden kann, um den Partner an seine Grenzen zu treiben. Die nächste Übung hätte ich erst in ein paar Übungstagen und nicht schon am dritten (meinem zweiten) erwartet: Haue. Den diagonalen Oberhau führten wir nach kurzem Üben, im Gegensatz zum geraden Oberhau, direkt am Partner durch. Diese Übung hatte neben dem offensichtlichen Üben der Schlagabfolge noch zwei sehr wichtige Aspekte zum Ziel: zum einen das Üben von Körperbeherrschung, indem der Schlag langsam und präzise zur Schulter des Gegenübers ausgeführt wurde und zum anderen das Üben, Vertrauen in den Partner zu entwickeln, und damit nicht vor der sich nahenden Fechtfeder zurückzuweichen. Die folgenden Übungstage gestalteten sich so, dass das bereits Gelernte vertieft und neue Techniken, wie der diagonale Unterhau, die verschiedenen Stiche und das Versetzen des gewöhnlichen Fechters (eine einfache Paradetechnik) nach und nach erlernt wurden. Und wieder zeigt sich meines Erachtens, dass auch die vermeintlich einfachen Techniken das Potential besitzen, problematisch zu sein. So war es doch erstaunlich schwierig, sicher zu sein, bei welchen Stichen jetzt der Daumen oben und bei welchen Stichen der Daumen unten ist, also wie die Fechtfeder zum Stich gedreht werden soll. Am eigenen Leib erfahren habe ich, dass die eigentlich nicht empfohlene Technik, das Versetzen des gewöhnlichen Fechters, trotz ihrer Primitivität auch scheitern kann und man einen Stich, den man eigentlich mit der Klinge blocken wollte, auch mit dem Körper abfangen kann, ohne irgendeine Verletzung davonzutragen. Die Ursache dafür ist zum einen natürlich in den abgerundeten Spitzen der Fechtfedern zu finden, zum anderen in dem Konzept der Fechtfedern, welche ein starkes Biegen der Klinge zulässt, wodurch ein Treffer abgefedert wird, und nicht zuletzt in der Kontrolle, die den Schlagenden oder Stechenden im Verlauf des Trainings vermittelt wird.
Der Übergang zum freien Fechten
Die letzte Stunde des Anfängerkurses brachte als neuen Trainingsinhalt die Blöße. Allen bekannt unter dem Spruch, „sich eine Blöße geben“, was im Historischen Fechten so viel bedeutet wie dem Gegner eine Möglichkeit darzureichen einen Treffer zu landen. Die zugehörige Übung stellt den ersten Schritt hin zu einem richtigen Schwertsparring dar und verbindet alle bisher erlernten Trainingsinhalte und macht riesigen Spaß. Mit einem Partner die gelernten Schritte und Huten frei durchwechselnd und, wenn man eine Blöße am Partner entdeckt, einen Schlag andeuten. Damit endete meine Zeit als Anfänger und es folgte das Training für die fortgeschrittenen Anfänger, in dem das Historische Fechten eine weitere Dimension gewinnt (im wörtlichen Sinne), denn nun ist man nicht mehr auf eine gerade Linie mit seinen Schritten gebunden, sondern lernt, sich frei im Raum zu bewegen, erlangt die Fähigkeit auf Angriffe des Gegners ohne vorherige Absprache zu reagieren, lernt kompliziertere und wunderschön anzusehende Haue, wie zum Beispiel das Schlagen ins Hängen aus dem Ochsen und bemerkt vielleicht, dass, wenn man einen Hau richtig ausführt, Fechtfedern aufgrund der hohen Geschwindigkeit auch pfeifen können.
Metall und Konzentration
Die vergangenen 12 Wochen haben meine Sicht auf Schwertkampf grundlegend gewandelt. Ich stelle es mir nun nicht mehr als martialisches Aufeinanderschlagen von Metall vor, sondern habe in familiärer Umgebung gelernt, das Historische Fechten als das zu sehen (und in Anfängen auszuüben), was es ist: ein raffinierter Tanz aus Metall und Konzentration, bei dem Muskelkraft und Brutalität in ihrer Rolle verblassen gegenüber Reaktion und Technik.
Autor: Dirk Hermannsdorfer
Fragen und Anregungen bitte an die Redaktion unter presse@ddhf.de oder an die Abteilung Historisches Fechten des PSV Karlsruhe e.V. unter d_h_osenberg@yahoo.de
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