Buchrezension

Höfliches Spiel und tödlicher Ernst

eine Rezension von Sebastian Linstädt

„Höfisches Spiel und tödlicher Ernst‟ von Patrick Leiske ist Anfang 2018 erschienen. Der HEMA-Fechter aus der Schule Krîfon von Christian Bott in Edingen nähert sich darin der Thematik des Bloßfechtens im Widerhall der Fechtbücher aus dem deutschen Raum auf eine wissenschaftliche und vergleichende Herangehensweise an. Das Fachbuch ist dennoch flüssig geschrieben und liest sich angenehm.

Leiske stellt zu Anfang an bereits klar, dass es ihm nicht um den Diskurs der Anwendbarkeit einzelner Techniken oder deren Übertragung in die moderne HEMA-Welt geht. Er sieht sich zunächst in der Rolle der „ordnenden Hand‟, der die vor allem für Neulinge schier unüberschaubare Menge von Fechttraktaten aus verschiedenen Jahrhunderten analysiert und zueinander in Verbindung setzt. In der Systematik nicht unähnlich einem Rainer Welle, der Ähnliches für Ringtechniken vorlegte, stellt Leiske alsbald die dominierende Rolle von Johannes Lichtenauer heraus, der – wohl ausgehend vom Nürnberger Hausbuch, der ältesten überlieferten Lichtenauer-Quelle – für 200 Jahre lang die „Fechtszene‟ dominierte. Auch anhand der erheblichen Unterschiede, die Leiske zu den wenigen nicht Lichtenauer folgenden Quellen heraus arbeitet, gelangt er zu verschiedenen Tradierungslinien der Lichtenauer-Fechtkunst, die etwas später bei Paulus Kal oder Hans Talhoffer Niederschlag finden. Eben Letzterem widmet Leiske dabei einen Schwerpunkt der Untersuchung, da er im Werdegang Talhoffers mit den chronologisch klar erkennbar aufeinanderfolgenden uns überlieferten Fechtbüchern eine zunehmende Emanzipation von der Lichtgestalt Liechtenauers wahrnimmt, die er auch faktisch gut untermauert. Seine Theorie: Es galt auch im ausgehenden Mittelalter schon, als Fechtmeister eine Art Trademark zu erlangen, sich gewissermaßen stilistisch unverwechselbar zu machen, um aus der Masse der Fechter herauszustechen. Die Vergleich zu ganz aktuellen Bemühungen moderner Fechtlehrer wird von Leiske explizit zwar nicht gemacht, steht aber angenehm ironisch im Raum.

Auch den späten Fechtbuch-Kompilatoren bzw. -Autoren Paulus Hector Mair und vor allem Joachim Meyer widmet Leiske ausführliche Passagen, in denen er sich stets auf der Spurensuche nach prägenden Elementen der Lichtenauer-Lehre, als auch „nicht-lichtenauerischen Einflüssen” – gerade diese erfahren bei ihm eine ausführlichere Würdigung und Kategorisierung als bislang geschehen – begibt. Er belegt diese stets präzise und schlüssig und im Ton unterhaltsam, ohne dabei allzusehr im Fußnoten-Dschungel verloren zu gehen.

Leiske arbeitet in seiner ganzen Arbeit sehr strukturiert entlang der Primärquellen und stützt sich auf einen umfangreichen Apparat an Sekundärliteratur, der er teilweise auch fundiert widerspricht. Sein Buch ist deswegen ein wichtiges Buch für das Historische Fechten in Deutschland, weil es auf sehr übersichtliche Weise eine Struktur schafft und Leseanreize die Originalquellen betreffend (wieder-)erweckt, ohne dabei schulmeisterlich zu wirken. Leiske gelingt es, einen Überblick zu schaffen und die zahlreichen Fechtbücher auf einer über 200 Jahre aktuellen “Landkarte” zu verorten sowie die Längs- und Querverbindungen zu rekonstruieren, die es zweifelsohne gab. Sicherlich hat Leiske somit das Schwert nicht neu erfunden und gerade bei modernen Altmeistern, die die Fechtbücher jeden Morgen zum Frühstückskaffee auswendig rezitieren und rekapitulieren, mag der unmittelbare Erkenntnisgewinn zunächst eher gering erscheinen. Auch das weitestgehende Ausklammern der Fechtergilden oder das lediglich en passant erwähnte Phänomen der Fechtschulen, die Leiske zugunsten des Umfanges von doch rund 250 Seiten Haupttext wohl hinten an gestellt hat, mag Kritik hervorrufen. Dennoch überwiegt die Stringenz der Verortung der Fechtbücher zueinander, die es gerade auch Einsteigern in die spannende Materie der historischen europäischen Kampfkünste im deutschsprachigen Raum so viel leichter machen dürfte, sich zwischen den ganzen alten Meistern und ihren jeweiligen Kompilationen zurechtzufinden.

Spannend und auf jeden Fall diskussionswürdig bleibt dabei auch Leiskes Konklusio, die bereits eine sehr frühe Versportlichung des Kampfes im Langen Schwert annimmt, was der Autor ebenfalls kündig belegt. Leiskes Werk dient als Kompass zum gemeinsamen Gebrauch auf einer viele Jahrhunderte alten Karte, die sicherlich auch künftig noch manche Überraschung bereit hält.

Link zum Buch: https://www.thorbecke.de/hoefisches-spiel-und-toedlicher-ernst-p-2280.html
Text: Mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Linstädt