Über die Masse von Schwertern

Einleitung

Im Kampfsport, so auch auch im modernen Turnierbetrieb des historischen Fechtens, muss die Wirkung der Schutzausrüstung den offensiven Eigenschaften der verwendeten Waffen und Techniken entsprechen, um Verletzungen unter den Teilnehmern zu vermeiden. Als Faustregel gilt, dass massereichere Waffen steifere oder besser gepolsterte Schutzausrüstung beim getroffenen Fechter erfordern, die jedoch wiederum die Beweglichkeit des Fechters einschränkt. Um solche Einschränkungen zu vermeiden, ist es in sportlichen HEMA-Anwendungen nötig, das Schadpotential der Waffen zu begrenzen. Üblicherweise wird das erreicht, indem Schärfe, Spitzigkeit, Steifigkeit und Masse der im Wettkampf zugelassenen Waffen beschränkt werden, während insgesamt die Anmutung der historischen Gegenstücke beibehalten wird.

Graph zur Massenverteilung und Kerndichteschätzung
Abb. 1: Histogramm der gefundenen Massendaten (lila) und daraus berechnete Kerndichteschätzung (rot)

Kürzlich wurde vorgeschlagen, statt der Masse des Schwerts die Länge des Griffs zu begrenzen mit der Begründung, dass ein längerer Griff mehr Drehmoment erlaube, während die Masse des Schwerts, insbesondere der Schwertschwäche, gegenüber der des Fechters vernachlässigbar sei. Zwar erlaubt ein größerer Abstand zwischen den Händen mehr Drehmoment (siehe Halbschwert), erfordert aber auch mehr Geschwindigkeit der beteiligten Muskeln, was wiederum zu geringerer Muskelleistung bei weiteren Griffabständen als den für den jeweiligen Fechter optimalen führt (siehe hillsche Kurve, oder bedenke die Verwendung der Gangschaltung beim Fahrrad). Ebenso trägt die Masse des Fechters üblicherweise nicht wesentlich zur relevanten Stoßmittelpunktmasse bei. Es sollte nicht vergessen werden, dass für die Schadwirkung im Hau das Massenträgheitsmoment von Bedeutung ist, das jedoch noch nicht zuverlässig erfasst wird, weshalb wir diesen Aspekt für einen zukünftigen Artikel aufsparen.

Das DDHF-Rahmenregelwerk legt die Biegsamkeit, Masse, die Gesamt- und Klingenlänge der in DDHF-konformen Turnieren verwendeten Schwerter fest. Die obere Massengrenze für Langschwerter (ohne Parierringe) liegt seit Version 1.0 bei 1,8 kg aufgrund von Erfahrungswerten zur Sicherheit, die untere Massengrenze lag bis Version 4.0 bei 1,4 kg. Diese Regelungen entspringen dem österreichischen ÖFHF-Regelwerk, das sich an Originalschwertern orientieren soll. Allerdings haben Fechter darum gebeten, auch leichtere Schwerter zuzulassen, die den individuellen Fechtweisen und körperlichen Voraussetzungen besser entsprechen. Der DDHF hat sich daher entschlossen, einen genaueren Blick auf die Daten historischer Langschwerter zu werfen.

Methode

Die morphologischen und einige der mechanischen Eigenschaften historischer Schwerter werden häufig sowohl von Forschern wie auch Enthusiasten unserer Zeit vermessen. Wir haben die von einigen Forschern großzügigerweise veröffentlichten oder zur Verfügung gestellten Massen- und Längendaten historischer Schwerter zusammengeführt und so die Datensätze von 101 paarweise verschiedenen Schwertern erhalten. Um in der Auswertung berücksichtigt zu werden, müssen die Schwerter für einen vorwiegend zweihändigen Gebrauch geeignet sein, eine gerade Klinge ohne Parierhaken aufweisen und sich in gutem Zustand befinden. Aus den Daten wurde mit Hilfe von Kerndichteschätzung die empirische Häufigkeitsverteilung bestimmt. Mehr als Beifang dieser Arbeit haben wir außerdem die Korrelation zwischen Gesamtlänge und Masse bestimmt.

Ergebnisse und Diskussion
Streu- und Datendichtediagramm für Langschwerter
Abb. 2: Streudiagramm der Massen- und Längendaten von historischen Langschwertern (schwarze Kreuze) und daraus berechnete Datendichteverteilung (Hintergrund)

Sowohl die Masseverteilung als auch die berechnete Kerndichteschätzung sind in Abb. 1 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass der Modus der KDE bei \(\overline{m}_M = 1{,}50\,\mathrm{kg}\) liegt. Das arithmetische Mittel beträgt \(\overline{m}_\text{arithm} = 1{,}64\,\mathrm{kg}\), der Median liegt bei \(\tilde{m} = 1{,}60\,\mathrm{kg}\). Unter der Annahme, dass das in Turnieren zugelassene Massenintervall die Massenverteilung historischer Langschwerter abbilden soll und man die Obergrenze von 1,8 kg aus Sicherheitsgründen beibehalten will, sollte die Untergrenze auf 1,2 kg gelegt werden, da historische Schwerter dieser Masse ähnlich häufig sind wie Schwerter von 1,8 kg. Im Ergebnis empfiehlt das DDHF-Rahmenregelwerk nun seit Version 5.0 Langschwerter mit Massen zwischen 1,2 kg und 1,8 kg, was nicht nur den historischen Daten, sondern auch den Wünschen der Fechter besser entspricht. Dieses Intervall umfasst etwa 61 % der historischen Schwerter (berechnet aus der Kerndichteschätzung).

Die Korrelation zwischen Masse und Gesamtlänge ist im Streu- und Datendichtediagramm in Abb. 2 dargestellt. Wenig überraschend sind längere Schwerter signifikant schwerer als kürzere (Spearmans ρ = 0,59, p < 0,001). Allerdings ist diese Korrelation im zugelassenen Massenintervall nicht so ausgeprägt, dass sie den zusätzlichen Aufwand rechtfertigt, den ein vorgeschriebenes und zu überprüfendes Masse/Länge-Verhältnis für Schwerter in Turnieren mit sich brächte.

Ausblick

Neben der Masse bestimmen auch die Position des Schwerpunkts und das Trägheitsmoment die Dynamik und damit die Handhabungscharakteristik wie auch das Fechten. Das ist nicht nur für Turnierreglements von Bedeutung, sondern auch für Forschung und Rekonstruktion. Wir haben vor, in einem zukünftigen Artikel einen genaueren Blick auch auf diese Größen zu werfen. Ebenso steht ein Vergleich mit den Turnierwaffen unserer Zeit an.

Danksagung

Wir möchten Alen Lovrič, Philipp Fehringer, der Gesellschaft zur Erforschung und Erprobung historischer Waffen e. V., Zornhau e. V. und den Leuten hinter dem Katalog »Das Schwert – Gestalt und Gedanke« für das Erheben und Teilen der in diesem Artikel verwendeten Daten danken. Ihre Forschungstätigkeit stellt einen unschätzbaren Beitrag dar.

Autor: Robert Geißler